Im Zeichen der Zeit – Uhr mit interaktiven Displays

Im zweiten Semester meines Studienganges Industriedesign, arbeiteten wir an einem Projekt namens timeCut, betreut von Prof. Schmied-Wohlleber. Die Aufgabe bestand darin, ein neuartiges digitales Produkt zu entwickeln, mit dem man seine Zeit gut einteilen und planen kann.

Kaum ein Produkt beherrscht so viele unserer Lebensbereiche so intensiv wie die Uhr. Es gibt sie in allen denkbaren Größen, Farben und Formen…

Sie prangt riesengroß an Rathaustürmen, hängt zahlreich an Bahnhöfen, steht gut einsehbar an Straßenecken… Jeder Fernseher, jeder PC, jedes Radio, jedes Handy führt sie uns ständig vor Augen. Man sagt uns die Zeit an im Radio. Wir können
sie erfahren über eine Hotline.

Wir tragen die Uhr als Schmuck, meist um den Arm, manchmal auch um den Hals oder am Finger. Sie ziert zahlreich unsere Wohnung, ob als Pendeluhr in der Ecke, auf dem Schrank, an der Wand… riesengroß und mit hallendem Gong. Ob als Funkuhr, Wecker, Eieruhr, ob digital oder analog.

Die Uhr beherrscht unser Leben. Sie sagt uns, wann wir aufstehen müssen. Sie sagt uns, wie lange wir die Zähne putzen sollten. Sie hilft uns, das Frühstücksei auf die richtige Härte zu bringen. Sie sagt mancher Kaffeemaschine wann sie beginnen soll zu brühen. Sie begleitet uns durch den ganzen Tag und nicht selten sind wir enttäuscht, nervös, entnervt, wenn wir auf jemanden warten, der vergessen hat sie zu lesen, die Uhr…

Ich entschied mich dafür, eine Uhr für Kinder zu entwerfen.

Persönlicher Kontext

Zu diesem Zeitpunkt (2009) war meine süße kleine Tochter 4 Jahre alt. Ein pfiffiges Mädchen, sehr neugierig, das viele Dinge wissen wollte. Ich habe früh gemerkt, dass der Alltag viel besser läuft, wenn sie vorbereitet war, auf die Dinge, die auf sie zukamen. Dieses Wissen gab ihr Sicherheit und die Möglichkeit, sich innerlich darauf vorzubereiten.

So zählten wir z.B., wie oft sie noch schlafen muss, bis Oma und Opa zu Besuch kommen. Oder ich sagte ihr am Vormittag, dass wir nach dem Mittagsschlaf, dem „kurzen Schlafen“, in den Park gehen und ein Eis essen werden. So konnte sie sich darauf freuen und bettelte nicht den ganzen Vormittag: „Wann bekomme ich mein Eis?“

Auch die kleinen Dinge des Alltags funktionierten so viel besser. Nehmen wir an, sie ist in ihr Spiel vertieft. Nun gehe ich in ihr Zimmer und sage: „Jetzt gibt’s es Essen, wasche dir die Finger!“ Ihr Unwillen ist vorprogrammiert und sehr verständlich. Wer mag es schon, aus dem heraus gerissen zu werden, was er oder sie gerade tut?

Kann ich ihr aber einen Anhaltspunkt geben, wieviel Zeit sie noch hat und kennt sie die Abläufe genau, ist es um vieles leichter. Bleibe ich dabei nicht zu streng, jedoch konsequent, gibt es auch bei neuen Regeln schon nach wenigen Tagen keinen Streit mehr und alles läuft rasch wie am Schnürchen.


Nun ist es nicht leicht, ihr zu erklären, was Zeit bedeutet. Wie lang sind denn zehn Minuten? Welchen Anhaltspunkt kann ich ihr dafür geben? Nimmt man eine normale Uhr als Anhaltspunkt, stellt sich vor allem die Frage: „Warum geht die Uhr an nur einem Tag zweimal herum?“ Ein Kleinkind kennt die Zahlen noch nicht. Und die Art, wie sich die Zeiger bewegen, ist in Kinderaugen sehr abstrakt und kompliziert. Ich suchte nach Assoziationen, die eine Zeitspanne leichter und intuitiv verdeutlichen.

Besonders gut erkennt man das Verrinnen der Zeit an einer Sanduhr. Legt man die Sanduhr auf die Seite, so kann man in ihr das Zeichen für Unendlichkeit erkennen, die liegende Acht. Und hier klärte sich auch meine Frage, nach dem Tag und der Nacht und warum die Zeiger der Uhr an einem Tag zweimal herum laufen.

Ich nahm die Idee der liegenden Acht auf, und legte den linken Teil für die Nacht, den rechten Teil aber für den Tag fest. So konnte ich hinter die Tageshälfte eine gedachte normale Uhr legen und die Verbindung zu herkömmlichen Zeitmessern herstellen.  Die Hälfte für die Nacht jedoch, wurde kleine und weniger wichtig. Sie soll dem Kind vermitteln, dass es sehr beruhigt schlafen kann, weil es nichts verpassen wird.

Diesen Gedanken übernahm ich auch für den Tagesteil der Uhr. Der Rand am Vor- und Nachmittag ist sehr breit. Dort finden die wichtigen Dinge statt, liegen die Aktivitäten. Früh, zum Mittagsschlaf und zum Abend hin, wird der Rand schmaler. Hier geschieht also weniger.

Die Kinderuhr hat keine Zeiger. Stattdessen liegt ein Band darum, das äquivalent zur herkömmlichen Uhr aufleuchtet. Auf diese Weise ist der Verlauf der Zeit genauso deutlich und leicht nachvollziehbar, wie das Verrinnen des Sandes bei einer Sanduhr. Zusätzlich stellt sie den direkten Bezug zur analogen Uhr her und erleichtert so später das Erlernen selbiger.

Die beiden Zentren der Uhr bilden große interaktive Displays. Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit dem Finger drauf malen. Oder Ihr Kind. Malen wir gemeinsam einen Zahnputzbecher. Ist dieser fertig, umkreisen wir ihn mit dem Finger und bestätigen mit dieser Geste den „Termin“. Jetzt können wir das Bild anfassen und ziehen es zum Rand der Uhr, auf den gewünschten Zeitpunkt. Wenn nun der leuchtende Streifen seine Bahn über den Tag zieht und dort ankommt, wo es Zeit ist, die Zähne zu putzen, leuchtet der Zahnputzbecher auf dem großen Display auf. Viele weitere Aktivitäten können auf diese Weise ganz nach Wunsch angelegt werden.

Ihr Kind kann genau mit verfolgen, wann etwas soweit ist. Man muss nicht sofort aufspringen und Druck machen. Bleibt man etwas locker aber konsequent, wird es bald keinen Streit mehr darüber geben, ob es noch Zeit zum Spielen gibt, oder ob etwas ansteht. Oder wann nun bald endlich die Oma zu Besuch kommt…

Sie können sich auch vorstellen, dass Wünsche und Gedankenblasen im kleineren Teil der Uhr schweben. Als etwas, dass bald soweit sein wird. Ist der Tag heran, wandert das Bild in den Tagesbereich auf den gewünschten Zeitpunkt und erscheint als großes Bild in der Mitte, wenn es los geht!

Sie können den Tagesablauf mit Ihrem Kind gemeinsam planen und es wird sich so zu einem selbstbewussten und sicheren Menschen entwickeln, der früh gelernt hat, seine Zeit bewusst wahr zu nehmen und einzuteilen. Gerade weil es nicht hilflos und unsicher dem ausgeliefert ist, was wir als Eltern, oder später im Leben die Umwelt ihnen aufdiktiert. Und auch ich, als Mutter, hatte es sehr viel leichter, nachdem ich meiner Tochter klar machen konnte, wann es wirklich Zeit ist, aufzustehen. Manchmal weckte sie mich schon vor 5.oo Uhr. Nun habe ich Ruhe bis um 7.oo Uhr, weil sie weiß, wann Mama aufsteht und wann sie kommen darf. Ich wünschte mir, diese Uhr wäre schon vor zwei Jahren einsatzfähig gewesen…

Vergangenheit und Zukunft

Spannend, aus heutiger Sicht auf dieses Projekt zurück zu blicken. Damals existierten kleine, runde Touchdisplays auf denen man mit dem Finger malen kann, noch im Bereich toller, neuer Ideen. Heute habe ich eines am Handgelenk. Vielleicht die richtige Zeit, die Idee noch einmal zu entstauben…